3. Tag: Hoch über dem Oeschinensee – Oberbärgli
Da es heute Morgen so schien, als würde der Himmel eher über Oeschinensee aufreißen, haben wir uns entschlossen, dort oberhalb des Sees den Weg zu laufen, den man auch zum Hohtürli nimmt: über Underbärgli (nein, hat nichts mit dem Kräuterlikör zu tun!) zum Oberbärgli und zurück über den Heuberg zur Sesselbahn Oeschinen. Die Tour hat es durchaus in sich, wie sich noch zeigen wird.
Von der Sesselbahn aus führt ein mittlerweile ziemlich breiter, fest geschotterter Weg (wahrscheinlich gerade gut für die Horden, die im Hochsommer kommen) schnell hinunter zum 60m tiefen Oeschinensee. Der See ist erst durch einen Felsabbruch entstanden, der das Abfließen des Wassers von den umliegenden Bergen verhinderte. Er ist zu dieser Zeit hellgrün-bläulich, wie viele Gletscherseen. Durch den noch spät gefallenen Schnee liegen hier (für die Höhe von rund 1600 Metern untypisch) im Moment noch Schneereste bis ans Ufer hinter, da die Blümlisalpseite des Sees praktisch immer Schatten hat.
Hinter dem Hotel Oeschinensee führt der Weg erst flach am See entlang, gesäumt von Skulpturen heimischer Künstler, die sich oft auch vorhandener Baumstümpfe und Findlinge bedient haben. Dann aber geht’s einige Zeit sehr steil aufwärts.
Nach gut einer Stunde erreicht man – kurz hinter einem wahren Löwenzahnmeer – am Underbärgli eine kleine Wirtschaft, die neben Essen und Trinken u.a. auch Bergfüchse oder besser: deren Felle anbietet. Hier scheint das noch politisch korrekt zu sein …
Nach einer Stärkung machten wir uns – zeitgleich mit einem belgischen Paar und ihrem kleinen Hund – wieder auf den Weg hinauf. Die beiden Belgier fragten uns, ob man wohl rechtzeitig wieder zur letzten Sesselbahn um 18.20 Uhr wieder unten sei. Da wir da ganz sicher waren, liefen wir meist voraus. Die beiden, deren Schuhe man gerade mal sportlich, aber nicht wirklich Wanderschuhe nennen konnte, hefteten sich aber wacker an unsere Fersen. Ein bisschen unsicher wurden sie, als wir an einem Felsband enge Stufen hinaufzuklettern hatten, die aber immerhin auf der Bergseite immer mit einem Drahtseil gesichert waren. Auch meiner Frau war dabei etwas mulmig zumute, ging es doch neben den Stufen wirklich steil bergab. Doch nach fast einer halben Stunde hatten wir Oberbärgli erreicht, ein paar Almhütten und Ställe, Schneereste, sonst nichts. Hier hätten wir bei guter Kondition zum Hohtürli und weiter ins Kiental laufen können, aber uns reichte das für heute.
Wir machten uns auf den Weg Richtung Heuberg: erst kurz leicht bergauf, dann längere Zeit recht eben weit oberhalb des Sees mit wirklich atemberaubend schönen Blicken hinunter zum See.
Bemerkenswert viel Schiefergestein gibt’s hier zu sehen: Schon erstaunlich, wie sich das bei der Brüchigkeit doch hält: Wann bricht man eine Steinplatte schon mit so wenig Kraft entzwei? Oft genug muss man durch Wasserläufe, die den Weg kreuzen – eine echte Herausforderung für die beiden Belgier mit ihren leichten Schuhen und dem Hund. Nachdem es am Heuberg – wie schon kurz vor dem Underbärgli – leicht zu regnen anfing, wurden die Wege nur noch rutschiger, aber gerade noch zu beherrschen. Die Sesselbahn – bisher noch unter dem Label „nostalgisch“ unterwegs, wird im Herbst wohl endgültig durch eine moderne Kabinenbahn ersetzt: schade, denn angenehmer als das beinahe schwerelose Dahingleiten und die Nase an der frischen Luft könnte das Bergbahnfahren kaum sein, aber das wird’s dann nicht mehr geben. Seufz!